Mit Staude, Hut und Stenz
14 Wandergesellinnen und -gesellen machen Station im Weiler Rathaus / Insa aus Haltingen beginnt ihre Reise
Auf der Walz: Da staunten die Besucherinnen und Besucher sowie die Mitarbeitenden inklusive der Oberbürgermeisterin nicht schlecht, als dieser Tage gleich mehr als ein Dutzend Handwerksgesellinnen und Handwerksgesellen durch den Haupteingang des Rathauses marschierten. Sie alle sind mindestens drei Jahre und einen Tag unterwegs. 14 Fremde, so werden die Frauen und Männer auf dieser traditionellen Wanderschaft bezeichnet, statteten dem Rathaus in Weil am Rhein einen Besuch ab.
Zimmererhose mit großem Schlag, Staude, Weste, Jackett, Hut, Gepäck und Stenz (Wanderstab): das ist die Grundausrüstung. Egal, welcher Zunft sie auch angehören. Tischler, Zimmerleute, Kunstschmied, Spengler, Bootsbauer und eine Bäckerin holten sich nach einem zünftigen Gesellenspruch, der freundlichen Begrüßung durch Diana Stöcker und einer kurzen Vorstellung ihren Wanderstempel und etwas Wegegeld ab. 15 Euro macht die Stadt als Freiwilligkeitsleistung locker.
Manche sind schon mehr als zwei Jahre unterwegs, wie der Tischler aus Mainz oder der Bootsbauer aus Ostfriesland, andere wiederum kommen aus München, Erlangen, Göttingen oder Jena, sind vor mehr als einem Jahr losgezogen oder haben vor wenigen Monaten erst das Ortsschild ihres Heimatortes passiert. Übrigens: Ihrem Heimatort dürfen sich die Wandergesellen für die Dauer der Wanderschaft nicht auf weniger als 50 Kilometer nähern.
Auch Insa zieht es nun mit ihrer Sponkluft nach dem Abschluss ihrer Ausbildung, der so genannten Freisprechung, hinaus in die weite Welt. Die junge Tischlerin aus Haltingen wurde zunächst von Familien und Freunden verabschiedet, ehe sie zusammen mit den 13 extra für diesen Anlass zusammengekommenen Gesellinnen und Gesellen zu Fuß die Bannmeile hinter sich ließ.
„Wie haben sie denn alle zusammengefunden?“, fragte Diana Stöcker ganz verblüfft, schließlich hatte sie gerade erfahren, dass auf der Walz niemand ein Mobiltelefon mit sich trägt. Man habe in den vergangenen Monaten überall Zettelchen mit dem Datum und der Adresse an den Arbeitsplätzen hinterlassen, erklärten ihr die Gäste.
Insa darf sich auf neue Arbeitspraktiken, unbekannte Menschen, fremde Orte, Regionen und Kulturen freuen. Wohin zieht es die 27-Jährige, welche Länder stehen auf der Wunschliste ganz oben? „Irland, Island und Japan“, antwortet sie schnell und mit einem breiten Strahlen. Höchstens zwölf Wochen darf sie an einem Ort verbringen. Das Wanderbuch dokumentiert die Tippelei. Es wird bei der Rückkehr voll mit Siegeln und Stempeln von Städten, Gemeinden und Institutionen sein, und Arbeitszeugnisse der Vorgesetzten ihrer aufgesuchten Betriebe zeichnen den Werdegang nach.
„Mit geht das Herz auf. Toll, dass sie als junge Menschen diese Tradition aufrechterhalten“, freute sich die Oberbürgermeisterin über diesen nicht alltäglichen Besuch. Ob denn gerade für Frauen die Walz nicht gefährlich sei, wollte Diana Stöcker wissen. Nein, sei sie nicht, erfuhr sie. Die Menschen würden den Wandergesellinnen mit Respekt begegnen und seien sehr hilfsbereit. Die Unterstützung, die man überall erfahre, sei riesig, erklärte die Bäckerin aus Bayern.
Ehe sich die illustre Wanderschar in traditioneller Arbeitskleidung weiter auf den Weg machte, wünschte die Oberbürgermeisterin allen Handwerksgesellinnen und Handwerksgesellen von Herzen alles Gute. Und natürlich: „Fixe Tippelei.“